Seit zwei Jahren tobt der Krieg in der Ostukraine. 1,1 Mio. ukrainische Kriegsflüchtlinge leben aktuell in Deutschland. Doch nur jeder Fünfte arbeitet. Der Rest kassiert Bürgergeld und Arbeitslosengeld.
In fast allen Branchen in Deutschland fehlen Mitarbeiter. 716 000 der Ukraine-Flüchtlinge sind im erwerbsfähigen Alter. Heißt zwischen 15 und 65 Jahre alt. Nur 21 Prozent, also 113 000 Ukrainer haben eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, 36 000 einen Minijob.
Warum der Rest nicht? BILD hat Ukrainer in ganz Deutschland gefragt: Warum arbeiten Sie nicht? Das sind ihre Antworten.
Marharyta Timofieiera (27) mit ihrem Sohn (7): „Die Leistungen, die wir vom Sozialamt bekommen sind sehr gut und wir fühlen uns in Deutschland wohl. Irgendwann möchte ich mir auch eine Arbeit suchen.“
Mein Mann schickt mir Geld aus der Ukraine
Anastasiia (31) mit Sohn Stefan (1): „Bald bekomme ich für ihn einen Betreuungsplatz, dann kann ich die Sprachschule besuchen. Und danach möchte ich wieder als Konditorin arbeiten. Mein Mann ist in der Ukraine geblieben – er arbeitet dort und schickt mir Geld, sooft er kann.“
Arbeiten lohnt sich nicht
Yurii Kudrinskyi (40) aus Poltawa: „Das deutsche Jobcenter bietet mir nur einfache Tätigkeiten mit geringer Bezahlung an. Ich bin ehrlich: Das lohnt sich nicht! Dafür fehlt mir die Motivation. Denn wenn ich bei Amazon oder anderen Unternehmen für 8 oder 9 Euro netto pro Stunde arbeiten würde, müsste ich meine Miete, Strom und Wasser selbst bezahlen. Dann würde zu wenig übrig bleiben im Vergleich zu 563 Euro Bürgergeld, das ich ohne Abzug bekomme.“
Vitalii Ovasapov (42) aus Cherson: „Ich verstehe, dass sich die Meinung in der Politik und der Gesellschaft in Deutschland geändert hat und ich arbeiten gehen soll. Aber dafür muss ich erst richtig Deutsch lernen. Sprachkurs und Arbeit zu kombinieren, ist schwierig.“
Wir brauchen noch einen Sprachkurs
Veronika Titikowska (41) aus Czernowitz lebt mit ihren Kindern (9, 13) seit zwei Jahren in Halle und wartet auf einen Sprachkurs. „Ich suche eine Stelle als Verkäuferin, am liebsten wie in der Ukraine wieder in einem Supermarkt oder einem Lebensmittelgeschäft. Wegen der Kinder kann ich nur halbtags.“
Buchhalterin Swetlana (50) lebt seit März 2022 in Halle (Sachsen-Anhalt), Finanzökonom Serchii (53) seit November 2022. „Wir möchten gern in unseren Berufen arbeiten, dafür müssen wir aber perfekt Deutsch sprechen und brauchen dafür noch einen weiteren Sprachkurs.“
Das gleiche Hindernis bei Valentina Zelenina (40). Sie kam mit ihren zwei Söhnen (15, 11) im April 2022, ihr Mann ist in der Ukraine: „Ich habe zwei Abschlüsse: Vermessungstechniker und öffentliche Verwaltung. Vom Jobcenter werde ich aber immer wieder zu Sprachkursen geschickt. Ohne C1-Abschluss könne ich nicht arbeiten, heißt es.“
In meiner Branche gibt es keine Mini-Jobs
Diana (26) hat einen Master-Abschluss als Software-Entwicklerin und Mathematikerin: „Ich musste viereinhalb Monate auf den B1-Sprachkurs warten, dann viereinhalb Monate auf den B2-Kurs.“ Den absolviert sie täglich noch bis Juni. „Es hängt oft vom Berater im Jobcenter ab, ob man noch einen weiteren Sprachkurs machen darf.“ Sie würde schon jetzt gern nebenbei arbeiten. „Aber in meiner Branche gibt es keine Mini-Jobs.“
Bekomme keinen weiteren Sprachkurs genehmigt
Yuliia (38) lebt seit einem halben Jahr mit ihrem Sohn (12) und ihrer Tochter (13) in Hannover. Sie hat zwei Studienabschlüsse in Ökonomie und Marketing und ein Diplom als Projektmanagerin. „Ich möchte zurück in meinen Beruf, aber das Jobcenter genehmigt keinen weiteren Sprachkurs.“
Abschluss nicht anerkannt, muss neue Ausbildung machen
Olena (48) hat Wirtschaft studiert und würde gern in einem kaufmännischen Beruf im Büro arbeiten. Aber sie ist ganz knapp an dem B1-Sprachtest gescheitert. Jetzt muss sie den Kurs zunächst wiederholen. Sie kam vor zwei Jahren nach Deutschland.
Olena (43) ist Sozialarbeiterin, hat während ihrer vierjährigen Ausbildung ein Jahr an einer privaten Universität studiert. Doch dieser Abschluss wird in Deutschland nicht anerkannt, obwohl sie ihr Diplom übersetzen ließ. 14 Jahre arbeitete sie in ihrer Heimat als Erzieherin im Kindergarten und würde das auch gern in Hannover. „Jetzt muss ich erst wieder eine zweijährige Ausbildung machen.“
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