„Tagträumen ist vielleicht die wichtigste Arbeit in meinem Leben“, pflegte der 2019 verstorbene Modedesigner Karl Lagerfeld zu sagen.
In dem Trancezustand schwelgen wir in Erinnerungen, fantasieren oder malen uns Bevorstehendes aus. Das, was in diesem Moment um uns herum passiert, wird kaum noch wahrgenommen. Bei einem lauten Geräusch oder wenn wir direkt angesprochen werden, kommen wir allerdings blitzschnell wieder in die Realität zurück. Das Gehirn kann von einer Sekunde auf die andere in den aktiven Aufnahme- und Reaktionsmodus schalten.
US-Neurowissenschaftler haben nun den Teil im Hirn entdeckt, der uns aus diesen Tagträumen reißt und wieder in die Realität zurückholt. Eine Erkenntnis, die darauf hindeutet, dass eine Störung des Mechanismus bei neurologischen Erkrankungen eine Rolle spielen könnte.
Was uns „aufweckt“
Während wir tagträumen oder uns an Vergangenes erinnern, ist bei der EEG (Hirnstrommessung) eine bestimmte neuronale Aktivität messbar, die sogenannten „Sharp-Wave-Ripples“. Im Versuch mit Mäusen haben die Forscher der Standford University entdeckt, dass gleichzeitig aber noch ein weiteres Signal aktiv ist. Diese Aktivität geht vom Gyrus dentatus aus – ein Hirnbereich, der unter anderem für Handlungsabläufe, Lernprozesse, aber auch für die Erinnerung an potenzielle Gefahren zuständig ist.
Laut der Neurowissenschaftler unterbrechen die Nervenimpulse des Gyrus Dentatus die „Sharp-Wave-Ripples“ wie eine Art Wecker und lenken so unseren Fokus wieder in die Gegenwart – vor allem, wenn ein plötzliches Ereignis auftritt, das unserer Aufmerksamkeit bedarf.
Alzheimer, Epilepsie, Schizophrenie
Bei einigen neurologischen Störungen scheint dieser Mechanismus gestört zu sein, weil Betroffene entweder übermäßig stark auf Ereignisse reagieren oder sich ständig um Vergangenes drehen und in Tagträumen versinken (oder alles gleichzeitig).
Unterschiedliche Ausprägungen davon gibt es beispielsweise bei posttraumatischer Belastungsstörung, Epilepsie, Alzheimer, Schizophrenie oder AD(H)S. Deshalb vermutet das Forscherteam, dass auch hier der Gyrus dentatus dahintersteckt. Die aktuellen Erkenntnisse könnten deshalb ein vielversprechender Ansatz sein, das Hirnareal in neue Therapieforschung einzubeziehen.
Aber: nur weil sie gerne Tagträumen, muss es nicht bedeuten, dass Sie eine neurologische Störung haben.
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