Es ist Juli 2020, als Luis Esteban Kyburg weiß, dass seine Tage in Anonymität vorbei sind. BILD-Reporter stellen den Mann, der für schlimmste Foltertaten verantwortlich sein soll, mitten in Berlin. Nach seiner Flucht aus Argentinien wähnt er sich hier in der deutschen Hauptstadt in Sicherheit. Schließlich besitzt er den deutschen Pass, kann nicht nach Argentinien ausgeliefert werden, wo gegen ihn ein Verfahren läuft.
Doch längst ermitteln zu dem Zeitpunkt auch deutsche Behörden gegen den ehemaligen Offizier der argentinischen Marine. Sie werfen ihm die Ermordung von mindestens 23 Menschen vor.
„Er hat planmäßig und systematisch gemordet – wie die Nazis“, sagt Anwalt Wolfgang Kaleck (63). Er vertritt Angehörige von Opfern, die damals endlich Hoffnung auf Gerechtigkeit haben, nachdem BILD Kyburg aufgespürt hat.
Doch die Hoffnung hält nicht lang. Kyburg stirbt am 11. Oktober 2023. Drei Wochen, bevor die Anklageschrift der Berliner Generalstaatsanwaltschaft (AZ171 JS 15/14) fertiggestellt ist.
Worum es darin geht? Die 110-seitige Anklage (liegt BILD vor) offenbart schreckliche Details einer Militär-Diktatur (1976–1983), die unter ihrem Anführer Rafael Jorge Videla (†87) mehr als 30 000 Menschen das Leben kostete.
Kyburg entschied über Leben oder Tod
Kyburg gehörte laut Anklage damals „als 2. Kommandant der Sondereinheit ‚Fuertar 6‘ einem Stab an, der festlegte, welche der entführten und gefolterten Personen nicht wieder freizulassen, sondern zu töten seien.“ Heißt: Er entschied über Leben und Tod von Gegnern der Diktatur.
▶︎ Deutsche Ermittler flogen in den vergangenen Jahren mehrmals nach Argentinien, um sich auf den Stand der dortigen Ermittlungen bringen zu lassen. Sie sprachen mit Zeugen, überzeugten sich selbst von den Gräueln. Sie sind sicher: Kyburg und seine 600 Kameraden folterten ihre Opfer tagelang, quälten sie mit Scheinhinrichtungen, drückten sie minutenlang bis zur Bewusstlosigkeit unter Wasser, betäubten sie.
Sie schmissen die Menschen lebendig aus dem Flugzeug
Laut Zeugen wurden die geschwächten Opfer dann in ein Flugzeug gebracht, entkleidet und schließlich über dem Meer vom Heck der Maschine abgeworfen. Andere Zeugen berichteten, „dass Gefangene auch am Strand bis zum Kopf eingegraben und bei auflaufender Flut ihrem Schicksal überlassen wurden, sodass sie in der Folge den Tod durch Ertrinken fanden“.
Die tödliche Blutspur der Schlächter – sie endete 1983. Gemeinsam mit der Militär-Diktatur. Die meisten Täter tauchten danach unter – so wie Kyburg, der mit seiner Frau nach Deutschland flüchtete. In einer Altbauwohnung im Berliner Stadtteil Pankow lebte er unerkannt, während er mit internationalem Haftbefehl gesucht wurde.
Als BILD ihn schließlich konfrontierte, sagte er unverhohlen: „Ich bin unschuldig. Ich habe mir nichts vorzuwerfen, habe keinen Menschen getötet. Ich warte, bis es zu einem Prozess kommt.“
Dazu wird es jetzt nicht mehr kommen. Die Gräuel, die Kyburg vorgeworfen werden – sie bleiben unbestraft.
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